

Wie kann man so schön und gleichzeitig so ein Teufel sein?
Andrea Pirelli, Conte de Collina Lieve, wird bereits im Band 1 – Jean – des „Im Sturm der Revolution“ – Fortsetzungsromans eingeführt.
In der Gesellschaft hoch angesehen, verbirgt er seine dunkle Seite, indem er nicht lange am selben Ort verweilt. In Band 1 lernt man sein kontrolliertes, kühles Wesens kennen und erfährt von seinem dunklen Drang, dem Bösen in sich nachzugeben. Wie das kurze Aufflackern einer Fackel erhascht man immer wieder einen kurzen Einblick in eine Szene seines Lebens. Beginnend in Venetien, über London und wieder Venedig folgen wir ihm auf dem Weg, der ihn schließlich einer Begegnung mit Aimée entgegenführt, die jedoch erst in Band 2 erzählt wird.
Zwei wichtige Aspekte erfährt der Leser aber schon im ersten Band:
- Er ist Anfang zwanzig als er nach dem Tod seines Vaters der neue Conte der italienischen Grafschaft wird.
- Die Freundschaft mit einem Mann verwandelte sich in eine lebenslange Obsession.
Zwei Informationen über ihn, die man unbedingt im Hinterkopf behalten sollte.
Das Flash House in der Commercial Street war ein düsterer Schandfleck, dessen schmutzige, poröse Fassade das flackernde Licht der Gaslaternen geradezu in sich aufsog. Ohne zu zögern stieß Pirelli die schwere Holztür auf und tauchte in den Dunstkreis aus Rauchschwaden, minderwertigem Alkohol und finsteren Gesellen ein. Der Lärm von rauem Gelächter, klirrendem Glas und gedämpften Streitereien erfüllte den stickigen Raum, in dem Diebe ihre Beute unter sich aufteilten, Prostituierte nach Freiern Ausschau hielten und verzweifelte Seelen ihr letztes Geld verspielten. In einer dunklen Ecke wickelte ein Hehler mit gesenkter Stimme seine dubiosen Geschäfte ab, während am Tresen ein betrunkener Seemann lauthals von seinen Abenteuern prahlte. Die Atmosphäre war aufgeladen mit einer Mischung aus Gefahr und Banalität, womit sie genau die Illusion von Lebendigkeit erschuf, nach der Andreas ausgehöhlte Seele in dieser Nacht dürstete. Mit der rechten Hand strich er sich über die Vorderseite seines Anzugs, als er grob angerempelt wurde. Sein Kopf ruckte herum und seine Augen bohrten sich in die eines jungen Mannes, der ihn schief angrinste und in einer entschuldigenden Geste die Hände hob. „Pardon.“ Sein verschmitztes Lächeln milderte Andreas aufsteigenden Drang nach Vergeltung. „Ich bin wohl über meine eigenen Füße gestolpert.“
Im Sturm der Revolution – Ein Vermächtnis aus Liebe und Hass – Jean
Die Unverfrorenheit, mit der er agierte, ließ Andrea die Augen verengen und sein Gegenüber eindringlich mustern. Sofort meinte er einige Gemeinsamkeiten mit dem fremden Jüngling zu erkennen, welche aus weit mehr als ihrer edlen Abstammung bestanden.
„Was treibt Ihr an einem Ort wie diesem?“, begehrte Pirelli mit gesenkter Stimme zu erfahren.
„Ich schwöre der Langeweile ab.“ Sein Gegenüber nahm kein Blatt vor den Mund, wackelte sogar mit den schelmisch gebogenen Augenbrauen. Andrea schenkte ihm ein freundliches Lächeln, das seine Herablassung bestens kaschierte. „Dies ist eine Disziplin, die ich zur Vollendung beherrsche. Vielleicht wollt Ihr Euch mir anschließen?“
Nur kurz zögerte der Jüngere, dann nickte er und streckte ihm erfreut die Hand entgegen. „Dieses Angebot kann ich nicht ausschlagen.“
Als sich ihre Handflächen berührten, erinnerte sich Pirelli an einen ähnlichen Handschlag, den er vor vielen Jahren mit einem anderen Mann ausgetauscht hatte. Damals hatten sie damit den Anfang einer Kameradschaft besiegelt, die sich später in eine weit über den Tod andauernde Feindschaft verwandelt hatte. Man konnte es aber auch schlicht als eine lebenslange Obsession bezeichnen.